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Variante sägt an Maßnahmen Ist Delta zu schnell für Tests?

Die Delta-Variante sorgt laut einer Studie für eine sehr hohe Viruslast bei Infizierten.

Die Delta-Variante sorgt laut einer Studie für eine sehr hohe Viruslast bei Infizierten.

(Foto: imago images/AAP)

Die Delta-Variante ist mittlerweile der Platzhirsch unter den Corona-Mutanten. Ihr Erfolgsrezept könnte in einer massiv erhöhten Viruslast bei Infizierten liegen. Damit könnten bisher geltende Schutzmaßnahmen gegen Sars-CoV-2 an Wirkung verlieren.

Rund eineinhalb Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich Deutschland in eine Festung aus bewährten Maßnahmen geflüchtet. Doch die Delta-Variante scheint neue Regeln aufzustellen. In Windeseile hat die neue Variante die Vorherrschaft in Deutschland übernommen. Mittlerweile liegt ihr Anteil bei 97 Prozent. Und mittlerweile nehmen auch die Fallzahlen hierzulande Woche für Woche wieder zu.

Diese neue Variante der Linie B.1.617.2 ist besser angepasst an den Menschen. Experten gehen davon aus, dass Delta noch mal etwa 60 Prozent ansteckender als ihr Vorgänger, die Alpha-Variante, ist. Warum das so ist? Einen Hinweis darauf fand das Team um den Epidemiologen Jing Lu vom Guangdong Provincial Center for Disease Control and Prevention im chinesischen Guangzhou. Die Forscher hatten eine Gruppe Delta-Infizierter mit Infizierten der ersten großen Corona-Welle im Frühling 2020 verglichen. Sie fanden heraus, dass die Viruslast bei Delta-Infizierten rund tausendmal höher lag.

Mit dieser neuen Wucht könnte Delta auch einige der bisherigen Annahmen über Sars-CoV-2 obsolet machen. So soll sich Delta laut Experten einfacher als seine Vorgänger auch im Freien übertragen - wo man sich bisher relativ sicher gefühlt hatte. Auch gibt es die Befürchtung, dass Delta bereits bei flüchtigen Begegnungen von einem Wirt zum nächsten springt. Bisher galt ein längerer Kontakt als ausschlaggebend. Die US-Gesundheitsbehörde CDC verglich die Infektiosität von Delta mit der von Windpocken. Laut Elke Bruns-Philipps vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes könne man sich daher bereits "im Vorbeigehen" mit Delta anstecken - dies erschwere auch die Nachverfolgung aller Kontakte von nachweislich Infizierten, was ebenfalls als wichtiges Mittel zur Eindämmung der Pandemie gilt.

"Laufendes Superspreader-Event"

Auch die bisher als Goldstandard geltenden PCR-Tests könnten an Aussagekraft einbüßen, befürchtet der Mediziner Jorge Caballero. Die Delta-Variante repliziere sich in Infizierten so stark, dass bei einem positiven Testergebnis ein Infizierter "bereits für 18 bis 48 Stunden infektiös" sei, schreibt Caballero auf Twitter unter Verweis auf die Studie aus Guangzhou. In einem Meinungsbeitrag im "Guardian" schrieb er mit Blick auf das neue Schuljahr, dass es "biologisch unmöglich" sei, allein mit Tests die Schulen vor Ausbrüchen zu schützen. "Die Delta-Variante macht jeden ihrer Wirte zu einem laufenden Superspreader-Event bevor die Person mitbekommt, dass sie infiziert ist."

Ein weiterer Punkt: Bei Delta ist die Inkubationszeit laut der chinesischen Studie noch mal deutlich verringert. "Das Virus war bei Menschen mit der Delta-Variante vier Tage nach der Ansteckung erstmals nachweisbar, verglichen mit durchschnittlich sechs Tagen bei Menschen, die mit dem ursprünglichen Stamm infiziert waren", schreiben die Forscher. Infizierte sind also bereits nach kürzerer Zeit ansteckend. Die Kombination aus einer hohen Anzahl von Viren und einer kurzen Inkubationszeit sei wahrscheinlich der Grund für die hohe Übertragbarkeit von Delta, sagte Epidemiologe Benjamin Cowling von der Universität Hongkong dem Magazin "Nature". "Alles zusammengenommen ist es wirklich schwierig, Delta zu stoppen."

Bleibt noch die Impfung, die stärkste Bastion gegen das Virus. Sie hält bisher auch gegen Delta. Aber selbst diese Mauer bekommt Risse. Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC ist der Schutz vor einer Ansteckung mit Delta durch eine Impfung immer noch gegeben, aber er scheint schwächer. Die geschätzte Impfeffektivität gibt das Robert-Koch-Institut (RKI) mit circa 88 Prozent für die Menschen zwischen 18 und 59 Jahren an und mit circa 87 Prozent für die Gruppe ab 60.

Was kommt nach Delta?

Immerhin besteht laut RKI nach vollständiger Impfung ein hoher Schutz gegen Erkrankungen und schwere Verläufe. Sind Menschen jedoch noch nicht vollständig geimpft, sei die Wirksamkeit gegen Delta deutlich verringert. Laut einer anderen Studie hatte beim ursprünglichen Virus bereits eine erste Dosis mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer in 80 Prozent der Fälle für eine starke Antikörperreaktion ausgereicht - bei Delta fiel der Wert auf rund ein Drittel. Eine Astrazeneca-Dosis soll laut dem französischen Institut Pasteur sogar "wenig bis gar keine Wirksamkeit" gegen die Delta-Variante haben. Nun ist in Deutschland sogar eine dritte Auffrischungs-Impfung für bestimmte Gruppen geplant - auch wegen Delta.

Doch womöglich ist mit Delta das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: US-Gesundheitsexperte Anthony Fauci hatte im US-Fernsehen gewarnt: "Wenn Sie dem Virus erlauben, frei zu zirkulieren, und nicht versuchen, es zu stoppen, dann gibt es früher oder später die Wahrscheinlichkeit, dass Sie eine andere Variante bekommen (...), die noch problematischer sein könnte als Delta." Es bestehe die Gefahr, dass sich am Ende eine Variante entwickele, vor denen die aktuellen Impfstoffe - anders als bei Delta - gar keinen Schutz böten.

Quelle: ntv.de

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